Kuttermesser
Am Wort!

Florian Haslinger über das landwirtschaftliche Handwerk „am Abgrund”

Florian Haslinger ist Landwirt, Fleischermeister und Geschäft sführer von Fitmeat, einem Onlineshop für Premiumfleisch. Er hat uns kürzlich diesen Text geschickt mit der Bitte um Veröffentlichung – der wir gerne nachkommen.

Die Landwirtschaft in Österreich ist nicht nur ein wirtschaftlicher Motor, sondern auch das Herzstück unserer Kultur, Tradition und Identität. Doch diese Lebensgrundlage steht massiv unter Druck. Während der Handel mit günstigen Fleischprodukten wirbt und Konsumenten zu scheinbar unschlagbaren Preisen greifen, kämpfen unsere Landwirte und Fleischereien ums nackte Überleben. Dieser Trend hat nicht nur fatale wirtschaftliche Folgen, sondern bedroht auch die Vielfalt, Qualität und Nachhaltigkeit unserer regionalen Lebensmittelversorgung.

Ein Berufsstand am Abgrund

Landwirte tragen die gesamte Verantwortung in der Tierhaltung – von der Geburt der Tiere bis zur artgerechten Aufzucht, Fütterung und Pflege. Sie investieren Zeit, Herzblut und finanzielle Mitt el, um qualitativ hochwertiges Fleisch zu produzieren. Dennoch erhalten sie einen vergleichsweise kleinen Anteil vom Kuchen. Der Stundenlohn in der Landwirtschaft ist unterirdisch und liegt oft weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn, obwohl Landwirte oft sieben Tage die Woche hart arbeiten. Hinzu kommt, dass immer mehr Bürokratie und Auflagen den Alltag der Betriebe erschweren. Vorschrift en, die oft fernab jeder Praxis erdacht werden, machen die Arbeit komplizierter und ineffizienter, ohne dabei den eigentlichen Nutzen für Tierwohl oder Umwelt zu steigern. Ohne gezielte Unterstützung und faire Bezahlung wird es bald keine regionalen Bauern mehr geben, und mit ihnen verschwindet auch das Wissen um nachhaltige Tierhaltung und regionale Produktion.

Modernes Handwerk in der Krise

Auch das Fleischerhandwerk ist massiv bedroht. Die Fleischerei ist ein hochspezialisiertes, modernes Handwerk, das Fachwissen, Erfahrung und Leidenschaft erfordert. Trotz steigender Nachfrage nach handwerklich hergestellten Fleischprodukten fehlt es an gesellschaft licher Anerkennung. Der Preisdruck im Handel macht es Fleischern zunehmend schwerer, ihre Betriebe zu halten. Dazu kommen immer komplexere Bürokratie und regulatorische Auflagen, die von praxisfernen Stellen beschlossen werden und für Betriebe kaum nachvollziehbar sind. Diese Bürokratieflut trifft auf unsere Betriebe, die sich zunehmend mit Papierkram statt mit ihrer eigentlichen Arbeit befassen müssen. Wenn dieser Trend anhält, verlieren wir nicht nur unsere Bauern, sondern auch unsere Fleischereien – und damit die Möglichkeit, Fleischprodukte mit Herkunftsgarantie und echter Handwerkskunst zu genießen.

Wertschätzung auf dem Teller

Es muss uns wieder bewusst werden, was auf unseren Tellern landet und woher dieses Fleisch überhaupt kommt. Gutes Fleisch wünschen sich viele, doch nur wenige nehmen den kurzen Weg zur Fleischerei oder zum Landwirt in Kauf. Stattdessen greifen sie im Supermarkt zum All-in-one-Angebot, obwohl echte Qualität und nachhaltige Landwirtschaft oft nur wenige Minuten entfernt warten – und dort wissen Landwirte und Metzger jeden einzelnen Kunden zu schätzen, der sich bewusst für regionales Handwerk und verantwortungsvollen Genuss entscheidet. Es geht nicht darum, mehr Fleisch zu essen, sondern bewusster und mit Bedacht. Fleisch aus dem Ausland, oft tage- oder sogar wochenlang gereist, mag zwar billig erscheinen, doch der wahre Preis wird von unseren Landwirten, Fleischern und letztlich auch von unserer Umwelt bezahlt.

Mythos: Regionales Fleisch ist teuer

Gutes Fleisch muss nicht immer teuer sein. Der Preis bei regionalen Direktvermarktern und Fleischereien liegt oft unter jenem großer Handelsketten. Durch gezielte Werbestrategien gelingt es den Konzernen, diese Tatsachen zu verschleiern und die Verbraucher zum Griff zu vermeintlich günstigen Fleischprodukten zu verleiten. Beim Landwirt oder Fleischer des Vertrauens bekommt man nicht nur die beste Qualität, sondern auch den besten Service und die ehrlichsten Informationen. Diese Menschen leben ihr Geschäft tagtäglich und wissen genau, was sie verkaufen. Anders als die meisten Angestellten im Einzel- und Großhandel können sie Auskunft über Herkunft , Haltung und Verarbeitung der Tiere geben – ein Wissen, das in unserer Gesellschaft zunehmend verlorengeht.

Nachhaltigkeit im Fokus

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der ganzheitliche Umgang mit dem Tier. „Nose to Tail“ bedeutet, dass nicht nur die edlen Stücke verwendet werden, sondern dass das gesamte Tier Wertschätzung erfährt. Das
sorgt nicht nur für mehr Nachhaltigkeit, sondern auch für kulinarische Vielfalt und weniger Lebensmitt elverschwendung. Indem wir auch weniger bekannte Fleischstücke in unseren Speiseplan integrieren, unterstützen wir nicht nur die Landwirte und Fleischer, sondern tragen aktiv zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung bei.

Die Verantwortung der Gesellschaft

Die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft und des Fleischerhandwerks liegt in unseren Händen. Wenn wir weiterhin auf günstige Produkte setzen und regional produzierte Lebensmittel ignorieren, verlieren wir nicht nur unsere Bauern und Fleischer, sondern auch ein Stück unserer Tradition und kulturellen Identität. Es ist Zeit umzudenken: Mehr Wertschätzung, faire Bezahlung und bewusster Konsum sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft. Der Erhalt unserer Landwirtschaft und unseres Handwerks ist nicht nur eine wirtschaft liche, sondern auch eine gesellschaft liche Verantwortung. Wenn wir nicht handeln, wird regionales Fleisch bald nur noch ein nostalgischer Begriff sein, der in Hochglanzmagazinen zitiert wird, während die Realität in den Supermarktregalen von anonymen, weitgereisten Produkten dominiert wird. Die Entscheidung liegt in unserer Hand: Wollen wir eine Zukunft , in der regionale Landwirte und Fleischer weiterhin qualitativ hochwertige, nachhaltige Produkte liefern? Oder überlassen wir die Kontrolle über unsere Ernährung anonymen Großkonzernen, die hauptsächlich an ihren Gewinnmargen interessiert sind?

Jeder Einkauf ist ein Statement!

Fleisch & Co – die österreichische Fleischerzeitung

Das Fachmagazin für Fleischer, Fleischindustrie und fleischverarbeitende Direktvermarkter bietet Fachinformationen von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zur Vermarktung von Fleisch und Fleischprodukten. Haben Sie interessante Themen für die Branche? Wollen Sie Kooperationspartner werden? Dann melden Sie sich bei uns.

Ähnliche Artikel

Das könnte Sie interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Bettcher

Adblock erkannt

Bitte deaktiviere den Adblocker, um unsere Website zu besuchen